Ich kann einige eurer Kritikpunkte zum Glück schon jetzt entkräften. Viele von euch scheinen sich meinen Vorschlag so vorzustellen, dass wir alle als Geheimpolizei agieren und uns gegenseitig beim CoC-Team anschwärzen. Das ist überhaupt nicht das, worum es mir geht.
Grundsätzlich sollen Konflikte unter den Beteiligten geklärt werden. Natürlich. Das ist der Modus, den wir jetzt haben. Es kommt vor, dass das gut funktioniert. Es kommt aber auch vor, dass einzelne jahrelange Auseinandersetzungen haben, im schlimmsten Fall nur in eine Richtung. Person A hackt auf Person B herum und Person B kommt entweder nicht auf die Idee, Person A zu konfrontieren, oder traut sich aufgrund ungleicher Machtverhältnisse nicht, oder hat es schon versucht, war aber erfolglos.
In so einer Situation kann der CoC folgende positiven Effekte haben:
- Person B hat eine schriftliche Bestätigung dafür, dass das Verhalten von Person A nicht in Ordnung ist.
- Person B weiß, dass Person A gegen die Regeln verstößt.
- Person B hat eine Möglichkeit, Person A in einer Weise zu konfrontieren, die weniger erfolglos ist als die bisherigen Versuche.
- Person A weiß, dass sie nicht machen kann, was sie will, ohne die Gefühle von Person B zu verletzen.
- Wenn Person A sich weiter so verhält, drohen ihr negative Konsequenzen.
Ohne provokant klingen zu wollen: Wer denkt, man könnte in der Nachtschule Konflikte kooperativ klären, gehört offensichtlich nicht zu einer der Gruppen, für die das nicht möglich ist.
Ich habe gestern oft versucht, klarzustellen, wie das System meiner Meinung nach aussehen sollte. Diejenigen von euch, die denken, es würde in ständiger Überwachung ausarten, haben das vermutlich nicht gesehen.
Nochmal die Kurzfassung: Wer seit Jahren befreundet ist und sich im Rahmen dieser Freundschaft täglich in der RE prügelt, darf das natürlich weiter tun. Mindestens vier verschiedene Leute haben mir seit gestern dieses Beispiel als Argument gegen einen CoC genannt. Ich schreibe doch nicht Freund/innen vor, wie ihre Freundschaft auszusehen hat, und das sollte auch weder der Verein noch irgendein CoC-Team tun. Stattdessen ist der CoC eine schriftliche Grundlage für diejenigen, für die das tägliche Verprügeln eben nicht okay ist.
Die Rollenspielaspekte der Nachtschule müssen nicht leiden. Auch in Zamonien kann man aufeinander Rücksicht nehmen.
Außerdem gibt es für mich einen klaren Unterschied, ob alle das Gefühl haben, sich in einer Rollenspielinteraktion zu befinden, oder ob ein Beteiligter sich im Rollenspiel fühlt und alle anderen Beteiligten sich schlecht fühlen. Ja, in dem Fall bin ich dafür, Rücksicht auf diejenigen zu nehmen, die darunter leiden. Ja, das bedeutet in dem Fall "Zensur", aber nicht Zensur von freier Meinungsäußerung, sondern Zensur von Verletzungen fremder Gefühle.
Wer sich eine Situation vorstellt, in der ein Neuzugang der Nachtschule ungewöhnliche Pronomen mitbringt, und sich in dieser vorgestellten Situation weigert, die Pronomen zu akzeptieren, sollte einen guten Grund dafür haben außer "ist mir zu umständlich".
Molotas hat geschrieben:die Tatsache, dass wir bisher keinen solchen offiziellen Gesetzestext brauchten
Oh. Was meinst du mit "brauchen"? Ja, die Nachtschulwebseite existiert seit Jahren, und bisher gab es keinen Code of Conduct (nur die Nachtschulordnung). Im Laufe der Jahre sind überraschend viele Nachtschüler/innen wieder von der Bildfläche verschwunden, und bei einigen, mit denen ich befreundet war, weiß ich, dass es am unangenehmen Umgang lag. "brauchen" ist also immer aus einer bestimmten Perspektive definiert. Klar, die, die noch übrig sind, "brauchen" das nicht, aber das sind ja auch nicht die, für die der CoC gedacht ist.
Molotas hat geschrieben:Natürlich gibt es Witze, die absolut unangemessen sind, aber darauf spricht man die Leute an und gut ist. Sowas pauschal unter Generalverdacht zu stellen, finde ich falsch
Es spricht absolut nichts dagegen, Leute auf unpassende Witze anzusprechen. Ich habe das schon unzählige Male gemacht. Die gleichen Leute, die ich darauf angesprochen habe, haben auch die nächste sich bietende Gelegenheit ergriffen, um unpassende Witze zu machen.
Ein "Fehltritt" alleine soll natürlich nicht zum Ausschluss aus der Nachtschule führen, erst recht nicht, wenn alle Beteiligten sich wohl fühlen! Wenn die Fehltritte allerdings systematisch werden, fühle ich mich damit extrem unwohl.
Molotas hat geschrieben:um eine einzelne Person "zu schützen", die mit manchen Themen nicht klarkommt
Wer AIDS hat, ist selbst schuld. Haha, AIDS, geschieht ihm recht. Der Typ auf der Straße heute, der mir den Weg abgeschnitten hat, ich wünsche ihm, dass er morgen AIDS bekommt!
... ja, ich würde gerne die einzelne Person schützen. Ihr Wohlbefinden ist für mich wichtiger als meine Gelegenheit, rücksichtslose Äußerungen zu machen.
Molotas hat geschrieben:Wenn jemand sich gemobbt fühlt und sich nicht traut, die andere Person direkt darauf anzusprechen, kann er jeden von uns ansprechen und um Hilfe bitten.
Dann spricht doch nichts dagegen, diese Einstellung zu verschriftlichen und für alle verbindlich zu machen. Es tut mir als Opfer genausogut wie als Täter, zu wissen, welches Verhalten in der Nachtschule akzeptabel ist. Gehe ich online und vergesse, dass ich nicht abfällig über alte Leute reden soll, kann ich freundlich darauf hingewiesen werden und die Sache ist erledigt. Gehe ich jeden Tag online und poste Manifeste gegen Rentner, kann ich eine Verwarnung bekommen. Ich sehe nicht ein, warum viele hier das als die gleiche Situation betrachten.
Molotas hat geschrieben:Dann lieber die Leute direkt persönlich ansprechen, wenn was schiefläuft.
Ich und einige andere machen das seit vielen Jahren so. Trotzdem ist die Nachtschule immer noch immer wieder rücksichtslos gegen Einzelne. Wäre es in den Situationen der letzten Jahre um mich selbst gegangen, ich wäre auf keinen Fall immer noch Nachtschüler. Es gibt genug Leute, die sich in ihrem Stolz verletzt fühlen, wenn man sie auf Fehlverhalten hinweist.
Außerdem hatten die meisten Situationen, an die ich denke, zur Folge, dass das persönliche Verhältnis zwischen mir und den jeweils anderen Schaden genommen hat. Das müsste nicht sein, wenn es nicht nach einem persönlichen Konflikt zwischen zwei Leuten klingen würde, sondern nach einer Frage des allgemeinen Sozialverhaltens in der Community. Der CoC verschafft einem ein wenig Distanz.
Molotas hat geschrieben:Vor lauter Übervorsicht traut man sich nix mehr
Vielleicht diskutieren wir darüber, welche der Punkte im CoC dir und anderen übervorsichtig vorkommen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dort kein einziger Punkt aufgezählt ist, dem wir alle zustimmen können. Ist dauerhafte unerwünschte sexuelle Aufmerksamkeit ein Eckpfeiler der Nachtschule? Wenn ja, habe ich keine Lust mehr auf Nachtschule. Wenn nein, tut es doch absolut niemandem weh, die Regel explizit einzuführen. Bei weniger klaren Fällen sollte wahrscheinlich die MV diskutieren.
Molotas hat geschrieben:Je nach Auslegung kann schon die Begrüßung "Hey Süße!" oder das Wort "Studenten" statt "StudentInnen" eine sexistische Microaggression sein.
Ja. Je nach Auslegung. Wer sich davon beleidigt fühlt, soll das Recht haben, sich zu beschweren. Wenn das CoC-Team mich als Geschädigten dann für überempfindlich erklärt, muss ich mich fügen, oder selbst Platz machen für die, die lieber "Hey Süße" sagen. Wenn das CoC-Team mir zustimmt, dass "Hey Süße" unnötig ist, muss das natürlich keine Verwarnung zur Folge haben, weil Verwarnungen für klares, systematisches Fehlverhalten gedacht sind, nicht für die Verhandlung vereinzelt auftretender Situationen.
Vereinzelt auftretende Situationen können auf Grundlage des CoC konkreter geklärt werden, ohne dass jemand als Verbrecher gebrandmarkt wird. Da das CoC-Team immer, wenn es möglich ist, die Themen vertraulich behandelt, muss jeweils keine große Sache daraus werden.
Tor'Gal hat geschrieben: kein legitimes Verhalten ausversehen kriminalisieren
Tor'Gal hat geschrieben:Außerdem muss man natürlich aufpassen, dass der CoC über das celibrieren der Opferrolle zum Angreifen anderer genutzt werden kann
Wenn das CoC-Team sich berät, sollte es darauf kommen, ob eine Beschwerde gerechtfertigt ist, oder jemand die Opferrolle zum Angreifen missbraucht. Wenn so etwas vorkommt, würde ich übrigens auch dieses Verhalten gerne als CoC-Verstoß behandeln. Sowas wie "Rufschädigung ohne Anlass".
Tor'Gal hat geschrieben:erstmal mit dem wahrgenommenen Aggressor drüber reden
Finde ich an sich löblich, ist aber manchmal eventuell nicht möglich. Es gibt z.B. Leute, die bei Konfrontationen ausweichen, sich einfach ausloggen, oder mit Witzen reagieren statt einen ernstzunehmen. Wenn ich mich bei einer Beschwerde direkt an den wahrgenommenen Aggressor nicht sicher oder wohl fühle, sollte es erlaubt sein, mir Hilfe zu holen, um dann z.B. mit einem Mitglied des CoC-Teams und dem Aggressor über das Problem zu sprechen. Selbstverständlich bekommt die Person, die mich verletzt hat, die Gelegenheit, ihre Perspektive zu erklären. Zum Schluss war alles nur ein Missverständnis und alle sind happy.
Tor'Gal hat geschrieben:Wenn da gleich jemand hysterisch rumpöbelt, dann wird die Person weniger ernst genommen bzw. die Gewilltheit ihr entgegenzukommen sinkt drastisch.
Das klingt wie eine Beschreibung deiner persönlichen Gefühle, würde ich aber gerne separieren vom gewünschten Verhalten des CoC-Teams. Wer heulend zu mir kommt und sagt, Tor hat ihn oder sie gehauen, wird von mir ernstgenommen, weil man nicht einfach ohne Grund anfängt zu heulen.
Tor'Gal hat geschrieben:Wenn ich gezwungen würde irgendwelche Gender-Blödsinn-Pronomen zu verwenden, dann würde ich der Nachtschule vermutlich Tschüß sagen
Okay, aber du könntest auch z.B. Interaktionen mit der Person, die dich dazu "zwingt", vermeiden, damit sowohl du als auch die andere Person ein angenehmes Nachtschulerlebnis haben. Wenn es dir ums Prinzip geht, dann musst du natürlich die Entscheidung treffen, die du angebracht findest. Wenn jemand anfängt, jeden Tag deine Männlichkeit in Frage zu stellen, stört dich das vielleicht nicht, aber sicher hast du schonmal etwas beobachtet, wo Leute gehänselt wurden und falsche Pronomen eine Rolle spielten. Da du schon gesagt hast, dass du dich wehrhaft fühlst, geht es bei diesem Beispiel wohl nicht um etwas, was dir passieren würde, aber ich fände es schön, wenn auch Unbeteiligte sich von vornherein positionieren würden, auf wessen Seite sie bei so einem Konflikt sind.
Tor'Gal hat geschrieben: relativ umfangreiches Regelwerk... Urteilsvermögen der MediaToren
Ich wäre für das Urteilsvermögen des Teams. Kein Regelwerk kann vorhersehen, welche Situationen auftreten werden und wie schlimm die jeweils sein werden. Bei temporären oder dauerhaften Verweisen den Vorstand einzubeziehen, finde ich vernünftig.
Kim hat geschrieben:(ich glaub, O wars), wer das Mobbing nicht als Problem empfinde, sei Teil des Problems
Oha, wenn ich das wirklich gesagt habe, war das natürlich eine ziemlich allgemein klingende Aussage. Ich habe den ganzen Tag mitgeschrieben, also kann ich nachher gucken, was das genau für ein Kontext war. Fürs erste: Wer kein Mobbing von anderen sieht, ist natürlich nicht unbedingt schuld. Wer mobbt und sagt, das wär doch nicht so schlimm, ist für mich schon ein Problem.
Dennoch fände ich es gut, wenn allen Nachtschüler/innen klar wäre, was laut CoC als Mobbing zählt, auch um leichter Unbeteiligten zur Seite stehen zu können.
Wenn ich in der Raucherecke Nigel bitte, Luke nicht dauernd zu verhauen, und Luke das gar nicht schlecht findet, sollte ich mich natürlich raushalten. Das Thema als Unbeteiligter anzusprechen, soll aber okay sein, finde ich. Wenn alle Beteiligten mir bestätigen, dass sie kein Problem haben, kann der Rest mir egal sein. Wenn ein Beteiligter kein Problem sieht und ein anderer schon, kann das CoC-Team einbezogen werden.
Grundsätzlich soll das CoC-Team natürlich so wenig wie möglich zu tun haben. Deshalb fände ich es auch nicht so anstrengend, Teil des Teams zu sein. Das Team hat nur die Aufgabe, uneinsichtige Mobbende oder Belästigende als Instanz mit Autorität zu konfrontieren, und ggf. negative Konsequenzen zu ziehen. Wer mobbt und das lustig findet, hat bisher einfach keinen Grund, damit aufzuhören. Ich erhoffe mir, dass das anders wird.
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Danke für eure Kommentare und Meinungen! Ich habe jetzt zwar einiges von dem, was ihr gesagt habt, auseinandergenommen, aber es geht ja darum, dass allen klar ist, was genau meine "Forderung" eigentlich ist. Wenn ich während dieser Verhandlungen Gefühle verletze, bitte bescheid sagen.
Ich kann mir vorstellen, dass auch bei einer Entscheidung gegen den CoC alleine diese Diskussion ein zumindest vorläufig positives Ergebnis hat. Einfach weil wir alle unterschwellig drüber nachdenken, ob wir uns okay verhalten. Wenn das ohne Team und schriftliche Regeln geht, würde mich das sehr freuen.